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Vorbericht: Bayer Leverkusen – FC St. Pauli (13. Spieltag, 24/25)


Der FC St. Pauli ist zu Gast bei Bayer Leverkusen. Eine enorme Herausforderung, aber die bisherige Saison hat gezeigt, dass der FCSP gegen Top-Teams nicht chancenlos ist.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Zur Vorbereitung auf die Partie zwischen dem FC St. Pauli und Bayer Leverkusen empfehle ich zum einen das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Casche mit B04-Anhängerin Vanessa, bei dem auch viel darüber gesprochen wird, wie man als in Norddeutschland lebende Person ausgerechnet Bayer Leverkusen ins Herz schließen kann.

Ebenfalls ans Herz legen, möchte ich Euch den ausführlichen Artikel von Nina zur Geschichte des Clubs Bayer Leverkusen und zu dessen Fanszene. Wer in Bezug auf Bayer noch nie von I.G. Farben gehört hat, in Bezug auf die Leverkusener Fanszene noch nicht die Begriffe Zitronenmann oder Raverkusen und ihre besondere Beziehung zur Fanszene von Werder Bremen kennt, sollte unbedingt „Bayer 04 Leverkusen: Verein und Fanszene“ lesen. Aber Vorsicht: Beim Lesen könnte ein aktiver Sympathis-Abbau von Bayer Leverkusen stattfinden.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Im Vergleich zum Heimerfolg gegen Holstein Kiel wird es wohl keine personellen Veränderungen im Kader des FC St. Pauli geben. Zwar haben Scott Banks und Karol Mets wieder mit dem Lauftraining begonnen, aber von einem Einsatz am Wochenende sind sie relativ weit entfernt. Von den zuletzt fehlenden Spielern wird also niemand in den Kader zurückkehren.

Somit muss der FC St. Pauli auch weiterhin auf Elias Saad, Robert Wagner, Simon Zoller, Scott Banks, Connor Metcalfe, Karol Mets, Sascha Burchert, Sören Ahlers und Ben Voll verzichten. Ob sich an dieser Liste vor der kurzen Winterpause noch etwas ins Positive verändern wird? Am ehesten wohl im Fall von Mets, weil er bisher nicht so lange raus ist. Alle anderen Spieler sind schon so lange nicht im Team-Training und brauchen entsprechend einige Zeit, um wieder spielfähig zu sein.

Bayer Leverkusen: Wer kann spielen, wer fehlt?

Auf Seiten von Bayer Leverkusen fehlen gleich vier Offensivspieler – und die haben es in sich! Mit Jonas Hofmann (23/24 satte 20 Torbeteiligungen) und Amine Adli (22 Torbeteiligungen) fehlen dem Team zwei spielstarke Offensivkräfte. Zudem laboriert Top-Stürmer Victor Boniface (bereits sechs Saisontreffer) schon längere Zeit an einem Muskelfaserriss. Zu allem Überfluss musste am Dienstag im DFB-Pokal auch noch Patrik Schick, Vertreter von Boniface ganz vorne, verletzungsbedingt ausgewechselt werden und wird am Samstag fehlen.

LEVERKUSEN, GERMANY - OCTOBER 19: Xabi Alonso, Head Coach of Bayer 04 Leverkusen, looks on prior to the Bundesliga match between Bayer 04 Leverkusen and Eintracht Frankfurt at BayArena on October 19, 2024 in Leverkusen, Germany. (Photo by Pau Barrena/Getty Images)LEVERKUSEN, GERMANY - OCTOBER 19: Xabi Alonso, Head Coach of Bayer 04 Leverkusen, looks on prior to the Bundesliga match between Bayer 04 Leverkusen and Eintracht Frankfurt at BayArena on October 19, 2024 in Leverkusen, Germany. (Photo by Pau Barrena/Getty Images)
Xabi Alonso hat mit Bayer Leverkusen das Double gewonnen und ist nicht weniger als ein Superstar des Fußballs.
// (c) Pau Barrena/Getty Images/via OneFootball

Was hat Leverkusen zu bieten?

Allein die Tatsache, dass Patrik Schick aktuell nur die zweite Wahl für das Sturmzentrum ist, sagt eigentlich alles über die individuelle Qualität im Kader von Bayer Leverkusen aus. Alexander Blessin erklärt dazu: „Sie haben absolute individuelle Qualität. Die ganze Mannschaft ist einfach top aufgestellt.“
Einer der Gründe, warum Bayer Leverkusen letzte Saison deutscher Meister wurde, dürfte in der Kaderstruktur liegen. Zwei Jahre lang war das Leverkusener Team das jüngste der Bundesliga. Ein Pool Hochtalentierter, denen es aber an Konstanz mangelte. Vor Beginn der Meistersaison verpflichtete man dann mit Jonas Hofmann und Granit Xhaka zwei sehr erfahrene Spieler. Das letzte Mal, dass Leverkusen Feldspieler verpflichtete, die bereits 30 Jahre oder älter waren? Über zehn Jahre her. Diese Erfahrung in den, weiterhin hochtalentierten, Kader zu holen machte sich bezahlt: Fehlende Konstanz gab es im Vorjahr bei Leverkusen überhaupt nicht mehr zu sehen.

Xabi Alsonso – Superstar der Leverkusener

Wenn man sich mit dem Erfolg und der Spielweise von Bayer Leverkusen befasst, dann kommt man nicht um den Namen Xabi Alonso herum. Der Cheftrainer der Leverkusener hat es nach seinem Arbeitsbeginn innerhalb kürzester Zeit geschafft, dem Team aus Hochtalentierten eine Spielweise einzuimpfen, die europaweit einzigartig ist und die auch Titel verdient hat. Bevor wir zu dieser Spielweise kommen, aber eine Sache, die ich persönlich am Trainer Alonso besonders interessant finde. Bei seinem Antritt in Leverkusen beschrieb er seine Arbeit nämlich wie folgt: „Die Spieler müssen an das glauben, was du ihnen sagst. Du musst sie füttern: Sie müssen das Gefühl bekommen, dass sie mit deinem Coaching besser werden. Sie müssen wissen, dass du da bist, um ihnen zu helfen – mit deiner Kenntnis, deiner Führung, deiner Motivation. An erster Stelle kommt die Menschenführung – erst danach kommen Fußballwissen und Taktik.“

Das mit der Menschenführung scheint ganz gut zu laufen, sonst hätte man bei Bayer Leverkusen kein so klares taktisches Konzept erkennen können in der Vorsaison. Ein Grundprinzip von Alonso ist simpel: „Wenn wir den Ball haben, sind wir glücklich“, erklärte er kürzlich. Bayer 04 Leverkusen ist eines der wenigen Bundesligateams, das mit dem Ball in den eigenen Reihen viel anfangen kann, dominant auftreten möchte und letzte Saison Lösungen für nahezu jede Spielsituation zeigte.

Leverkusen Spezial: Vertikales Tiki-Taka

Eines der markantesten Stil-Elemente des „Xabi-Ball“ ist der vertikale Spielaufbau zum Locken des Gegners. Viele Teams schieben den Ball ja hauptsächlich von rechts nach links und zurück, um den Gegner in die Breite zu ziehen und so die horizontalen Abstände der Gegenspieler zu weit werden zu lassen, um dort dann durchzuspielen. Andere setzen auf schnelle Tiefe, versuchen den Gegner mit Tempo zu überspielen. Leverkusen hat das Merkmal, dass sie im Spielaufbau natürlich auch den Ball nach rechts und links verlagern und irgendwann die Tiefe suchen. Ausgesprochen oft versuchen sie aber, die vertikalen Abstände zwischen den Gegenspielern (zu) groß werden zu lassen, Platz zwischen den Ketten zu schaffen. Das geschieht durch stetes Passspiel zwischen Abwehr und Mittelfeld, der Ball wird also im Aufbau weniger horizontal gepasst, viel öfter vertikal. Der Gegner soll so aus seiner tiefen Position herausgelockt werden. Der Erfolg der Vorsaison zeigt: Das ist Bayer Leverkusen sehr gut gelungen.

Gelingt dieses Herauslocken, das Schaffen von Räumen, dann können Spieler wie Florian Wirtz die sich bietenden Räume natürlich viel besser nutzen. Wirtz ist zusammen mit Jamal Musiala sicher das Beste, was die Bundesliga an individueller Qualität zu bieten hat, vermutlich seit Jahren. Ihn verteidigen? Über die gesamte Spielzeit werde man das nicht schaffen, erklärt Blessin, schon gar nicht in Einzelduellen. Vielmehr sei es nötig eine Überzahl in Ballnähe zu schaffen. Was dann aber das nächte Problem heraufbeschwört: Denn irgendwo Überzahl bedeutet irgendwo Unterzahl und das dann oft auf der ballfernen Außenbahn. Dort tummelt sich gerne Jeremie Frimpong, einer der schnellsten Spieler der Bundesliga. Sowieso gibt es im Kader der Leverkusener gleich sechs Spieler, die in Sachen Höchstgeschwindigkeit diese Saison bessere Werte haben, als der beste Spieler des FC St. Pauli. Immerhin: Der schnellste FCSP-Spieler, Philipp Treu, wird höchstwahrscheinlich der direkte Gegenspieler von Frimpong sein.

Meister später Tore

Es ist also sowohl Alonsos Verdienst, aber auch die hohe individuelle Qualität im Kader von Bayer Leverkusen, die in der Vorsaison zum Gewinn des Doubles geführt haben. Bayer Leverkusen spielte eine nahezu perfekte Saison, verlor einzig das Finale der Europa League gegen Atalanta Bergamo. Auffällig damals, vor allem in der Rückrunde: Leverkusen traf gerne sehr spät. Satte 22 Bundesliga-Treffer erzielte das Team letzte Saison in der Schlussviertelstunde – Bestwert. Und acht dieser Treffer fielen sogar in der Nachspielzeit, sechs davon änderten die Tendenz der Spiele. Ohne die Tore in der Nachspielzeit hätte man neun Punkte weniger auf dem Konto gehabt. Deutscher Meister wäre Leverkusen zwar auch ohne diese Punkte geworden, aber diese späten Treffer sind eine der großen Stärken des Teams. Auch diese Saison erzielte man bereits zwei Siegtreffer in der Nachspielzeit (fing sich aber auch den Ausgleich gegen Werder nach Ablauf der 90 Minuten).

ROTTERDAM, NETHERLANDS - SEPTEMBER 19: Florian Wirtz and Granit Xhaka of Bayer 04 Leverkusen react following the team's victory during the UEFA Champions League 2024/25 League Phase MD1 match between Feyenoord and Bayer 04 Leverkusen at De Kuip on September 19, 2024 in Rotterdam, Netherlands. (Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)ROTTERDAM, NETHERLANDS - SEPTEMBER 19: Florian Wirtz and Granit Xhaka of Bayer 04 Leverkusen react following the team's victory during the UEFA Champions League 2024/25 League Phase MD1 match between Feyenoord and Bayer 04 Leverkusen at De Kuip on September 19, 2024 in Rotterdam, Netherlands. (Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)
Florian Wirtz und Granit Xhaka sind in einem Leverkusener Team von höchster individueller Qualität wohl die beiden Spieler, die am ehesten hervorstechen. Einer aufgrund seines Talents, der andere aufgrund seiner Erfahrung. // (c) Dean Mouhtaropoulos/Getty Images/via OneFootball

Leverkusen ist defensiv anfälliger geworden

Zur Wahrheit der zweifelsohne beeindruckenden Vorsaison von Leverkusen gehört aber auch, dass das Team nach xG-Werten überperformed hat. Das Team erzielte sowohl mehr Tore als nach xG wahrscheinlich und fing sich auch weniger. Vergleicht man die jetzigen Ergebnisse von Bayer Leverkusen mit jenen der Vorsaison, so wird deutlich, dass vor allem die Anzahl an Gegentoren zugenommen hat. 23/24 fing sich Leverkusen insgesamt überhaupt nur 24 Gegentreffer. In den bisherigen zwölf Ligaspielen der aktuellen Saison musste das Team bereits 19 Gegentore hinnehmen.

Zwar war die defensive Anfälligkeit zu Saisonbeginn deutlich höher, als sie aktuell ist, doch auch nach diesem Saisonstart klingelte es regelmäßig im Leverkusener Kasten. Von den zwölf Spielen konnte bisher nur eines ohne Gegentreffer beendet werden (in der Vorsaison blieb man übrigens in der Hälfte aller Ligaspiele ohne Gegentor). So ganz können die defensiven Probleme der Leverkusener also nicht wegdiskutiert werden. Auffällig ist dabei eine bisher unter Alonso nicht gekannte Konteranfälligkeit des Teams. Das hängt vor allem mit dem etwas weniger griffigem Gegenpressing und der offensiven Positionierung zusammen. Leverkusens Sportchef Simon Rolfes mahnte nach der deutlichen 0:4-Niederlage gegen den Liverpool FC an, es habe unter anderem an „Zweikämpfen, Infights und Rhythmus“ gefehlt.

„Müssen ihnen wehtun“

Genau hier will der FC St. Pauli ansetzen. Den Gegner aus dem Tritt bringen, keinen Spielrhythmus aufkommen lassen und zudem in Zweikämpfen präsent sein. Blessin erklärt ganz unverblümt: „Wir müssen ihnen wehtun, also auch körperlich präsent sein. Das mögen sie nicht.“
Aber natürlich ist Bayer 04 Leverkusen eine der größten Herausforderungen, die es aktuell in der Bundesliga gibt. So sehr, dass man sogar Probleme hat die Schwächen und damit Angriffspunkte zu identifizieren. Blessin: „Es ist schwierig Momente zu finden, in denen wir ihnen wehtun können.“ Immerhin habe man „ein-zwei Punkte gesehen, wo wir vielleicht einen Ansatz finden.“ Diese wurden auch bereits intensiv geübt im Verlauf der Woche und Blessin zeigte sich damit zufrieden: „Ich hoffe, dass das so gut klappt wie heute im Training.“

Mögliche Aufstellung

Bayer 04 Leverkusen muss auf den Ausfall von Patrik Schick reagieren. Im DFB-Pokalspiel gegen den FC Bayern München agierte Florian Wirtz auf der zentralen Position ganz vorne. Erst zur Halbzeit wurde Schick ein-, nach wenigen Spielminuten aber verletzungsbedingt wieder ausgewechselt. Alexander Blessin nennt auf die Frage nach der Besetzung der Mittelstürmer-Position den Spieler, der für Schick eingewechselt wurde: Nathan Tella. So richtig passt er aber eigentlich nicht als Mittelstürmer, er hat seine Stärken eher auf der offensiven Außenbahn. Ob Tella oder Wirtz oder Terrier oder sonstwer, eines ist laut Blessin klar: „Ihnen fehlt ein Target-Spieler.“ – und das verringert die Chancen des FC St. Pauli in Leverkusen nicht.

Erwartete Aufstellung beim Spiel Bayer Leverkusen gegen FC St. Pauli LEV: Hradecky - Tapsoba, Tah, Hincapie - Andrich - Frimpong, Palacios, Xhaka, Grimaldo - Tella, Wirtz FCSP: Vasilj - Wahl, Smith, Nemeth - Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu - Guilavogui, Eggestein, AfolayanErwartete Aufstellung beim Spiel Bayer Leverkusen gegen FC St. Pauli LEV: Hradecky - Tapsoba, Tah, Hincapie - Andrich - Frimpong, Palacios, Xhaka, Grimaldo - Tella, Wirtz FCSP: Vasilj - Wahl, Smith, Nemeth - Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu - Guilavogui, Eggestein, Afolayan
Erwartete Aufstellung beim Spiel Bayer Leverkusen gegen FC St. Pauli
LEV: Hradecky – Tapsoba, Tah, Hincapie – Andrich – Frimpong, Palacios, Xhaka, Grimaldo – Tella, Wirtz
FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu – Guilavogui, Eggestein, Afolayan

„Never change a winning team“

Beim FC St. Pauli gibt es aktuell gar keine Fragezeichen in Bezug auf die personelle Aufstellung. Wenn am Samstag zum dritten Mal in Folge die gleiche Startelf aufgeboten wird, dann ist das auch ein Ausdruck der großen Verletzungsmisere des FCSP. Auf der anderen Seite sieht Blessin aber gerade nach dem erfolgreichen Spiel gegen Holstein Kiel keinen Grund die Startelf zu verändern („Never change a running team“) und erklärt, dass diese elf Spieler einen erneuten Startelfeinsatz auch ohne Verletzungen der Mitspieler verdient hätten.

Ein Mutmacher: Gegen Bochum und Kiel kam Bayer Leverkusen in dieser Saison nicht über ein Unentschieden hinaus. Doch damit wir uns alle nichts vormachen, hier der wichtigste Satz von Blessin auf der Pressekonferenz vor der Partie: „Wir brauchen einen Sahnetag, wenn wir was holen wollen.“ Zwar hat der FC St. Pauli gerade gegen die Top-Teams gut spielt, verlor allerdings auch zwei der drei Partien gegen Leipzig, Dortmund und München. Trotzdem geben diese Spiele Zuversicht: „Gegen die Top-Teams sahen wir gut aus. Deswegen wissen wir zwar, was für ein schwerer Brocken auf uns zukommt, aber haben keine Angst. Das Kiel-Spiel gibt nochmal eine Portion Selbstbewusstsein dazu.“ Nehmen wir so!
Forza!
// Tim

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